Fremdverliebt - Er/sie geht mir nicht aus dem Kopf

Thema: Liebe und Beziehung

Alles findet nur im Kopf statt, also keine Verabredung, keine Berührung. Meist erfolgt nicht einmal eine Rückmeldung, der/die Auserwählte weiss gar nichts davon, bekommt nichts mit. Aber in seinen/ihren Vorstellungen ist man mit ihm zusammen im Bett, im Urlaub, auf Partys, überall und nirgends. Selbst beim Sex mit dem Partner ist er imaginär dabei. Ist das schon Fremdgehen? Muss man sich dafür schämen? Soll ich es meinem Partner beichten? Ist die Beziehung in Gefahr?

Kopfkino und was es mit uns macht

Friede, Freude, Eierkuchen - bei Christa und Hans läuft es gut. Job, Kind, Reihenhaus - alles auf der Spur. Eines Tages steht bei Christa ein Team-Meeting in der Firma an. Thema: Begrüssung der neuen Kollegen. Jeder hat die Gelegenheit, sich kurz vorzustellen, beruflich und privat. Als Mike an der Reihe war, dauerte es nur eine Nano-Sekunde und ihr Verstand legte eine Vollbremsung ein. Er ist Deutsch-Amerikaner, leicht gebräunt, strahlendes Lächeln, lässig-schickes Outfit. "Was für ein Hammer-Typ" Seine Ausstrahlung haute sie spontan um. In Nebelschwaden bewegte sie sich durch den Rest des Tages. Gut, dass Freitag war.

Vor ihr lag ein Wochenende ohne Hans, Handball-Tunier, ohne Kind, Besuch bei Oma. Sturmfrei! Erst mal ein Bad mit allem Drum und Dran. Viel Schaum, ganz viele Kerzen, Klassik-Musik und ein Glas Prosecco. Sie verwöhnt sich bis zum Höhepunkt selbst und dabei denkt sie nur an ihn - an Mike. Sie malte sich aus, wie er sie zum Essen ausführt, sie reden, sie lachen und sie schlafen miteinander. Wenn er sie gefragt hätte: "Komm mit nach Florida, wir lassen alles hinter uns und geniessen das Leben unter der Sonne, trau dich." Wäre ihre Antwort gewesen: "Ja, ich will." Danach plagte sie das schlechte Gewissen.

"Was mache ich hier? Ich bin ja total verrückt. Und wie gemein Hans gegenüber. Er ist doch der Mann, den ich liebe, mit dem ich alt werden will."

Trotzdem fühlt sie sich gut, so lebendig, so positiv aufgewühlt. "Das bleibt jetzt erst einmal mein süsses Geheimnis, ist ja nichts passiert. Alles nur in meinem Kopf."

Über die nächsten Wochen vergräbt sie sich in die Arbeit, sie strengt sich an, Mike nicht über den Weg zu laufen. Allein diese Aktionen bewirken, dass ihre Gedanken ständig um ihn kreisen. Drei Wochen später setzt er sich in der Kantine zu ihr an den Tisch. Sie bekommt keinen Bissen mehr runter, ihr Herz schlägt Purzelbäume, sie hängt an seinen Lippen. Tatsächlich fängt er ein nettes Gespräch mit ihr an, alles dreht sich um ihn und um seine bevorstehende Hochzeit. Schluck. Beim Erzählen isst er wie ein Schwein, wirkt fahrig und oberflächlich. "Man sieht sich. Wie war noch mal dein Name?" Mike hat seinen Zauber für sie genau in dem Moment verloren.

Unschuldige Gefühle

Fremdverlieben ist meist nicht mehr als eine grosse Illusion. Sie beginnt im Kopf. Wenn sie dort bleibt und irgendwann dort endet, ist es kein wirklicher Betrug. Trotzdem kann das Gefühlschaos sehr belastend sein. Wenn man es in sich hineinfrisst, wird es chronisch. Dann ist ein guter Freund wichtig. Einer, dem man alles frei erzählen kann, der zuhört. Seine nüchterne Sichtweise sollte einem die Augen öffnen. "Willst du wirklich eure langjährige Beziehung fallen lassen? Nach allem, was ihr zusammen geschafft habt. Und wofür? Für eine Art Fantasie-Mann, den du dir schön gemalt hast, der kein besonderes Interesse an dir hat, mit dem es keine Zukunft gibt. Dein Ernst? Gin & Tonic?"

In sehr stabilen Beziehungen kann man seinem Partner dieses Gefühl der Verliebtheit für eine andere Person "beichten". Wie er oder sie darauf reagiert, bleibt ein Risiko, das man vorher gut abwägen sollte. Wichtig ist, dem Partner die richtigen Signale zu senden. "Du bist der Eine, nur du bist mir wichtig. Ich habe entschieden, diesen anderen Mann/diese andere Frau zu vergessen. Ich will dich nicht verlieren." Als Happy End kann diese Krise umgelenkt werden - in eine spannende und gestärkte Beziehung. Christa und Hans haben ein Wohnmobil gemietet, die Tour durch Florida arbeiten sie gemeinsam an den Abenden aus. Online frischen sie ihr Amerikanisch auf. Die Vorfreude steigt: "Wer war eigentlich dieser Mike?"

Wo bitte ist der Ausgang?

Experten in dieser Lebenslage raten: Tief durchatmen und Tee trinken, oder war es Gin & Tonic? Auf keinen Fall in Ihrer Panik Entscheidungen treffen, womöglich noch in die Tat umsetzen. Eine Nacht darüber schlafen hat noch nie geschadet. Freuen Sie sich doch über die kurzlebigen Schmetterlinge im Bauch. Hallo, Sie sind lebendig, Sie sind keine Maschine, Sie müssen ihre Gefühle nicht zu 100 Prozent unter Kontrolle haben. Kosten Sie diesen Moment aus, ganz bewusst und mit Aufmerksamkeit auf Sie selbst.

Eine Auszeit, ein Tapetenwechsel kann helfen. Aus der Ferne sehen die Dinge ganz anders aus. Schmetterlinge im Ruhemodus. Das schafft Klarheit.


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