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Beitrag vom 29.10.2021
Eines ist klar, mit wem, wie und ganz besonders wann es zum berühmten Ersten Mal kommt, ist reine Privatsache. Es sollte eine freie Entscheidung sein. Ohne Ablaufdatum, ohne Sperrfrist. Problematisch wird es erst, wenn Furcht und Druck - von aussen, wie von innen - eine Rolle spielen. Junge Männer sehen tatenlos zu, wie ihre Kumpels ein Mädel nach dem anderen beglücken oder in einer festen
Beziehung sind, die Finger nicht voneinander lassen können - auch wenn sie nicht alleine sind. Da kommt man schon einmal ins Grübeln. Was, stimmt nicht mit mir? Warum kriege ich das nicht gebacken? Bin ich nicht normal?. Ab Ü30 wird nicht nur die Luft, sondern auch das Nervengerüst langsam dünner. Frust macht sich breit und eine Spirale der Versagensangst beginnt. Kein
Sex zu haben, verschliesst die Türen zu einer glücklichen Beziehung - in welcher Zusammensetzung auch immer - am Ende ist man einsam und traurig. Einzige Ausnahme, es tun sich zwei asexuelle Partner zusammen - was höchst selten ist.
Die gute Nachricht vorweg: Die Anzahl der jungfräulichen Menschen (Ende 30 innerhalb Europas) hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Sie sind also normal und liegen im Trend. Die schlechte Nachricht: Wer kein Sexleben hat, ist auf Dauer einsam und unglücklich.
Um es mit David Bowie zu beschreiben, solche Menschen sind Absolute Beginners. Unter diesem Schlagwort findet man in Foren Hilfe von Leidensgenossen im Netz. Männliche Jungfrauen stehen in erster Reihe. Das gleiche Problem bei Frauen ist auch ein grosses Thema, stellt sich aber völlig anders dar. Sollte an anderer Stelle näher beleuchtet werden.
Reizüberflutung und Perfektionismus
Zu keiner Zeit war
Sex so oft Thema durch alle Medien hinweg. Im TV findet er bereits im Nachmittagsprogramm über der Bettdecke statt. Porno-Industrie und Online-Shops für Sexspielzeug haben Hochkonjunktur. Schon die Kleinsten sind voll auf Zack, wenn sie Mama mit Papa im Bett überraschen. Die Aufklärung war erfolgreich. Schattenseite des freizügigen, allgegenwärtigen Umgangs mit Sex ist ein Abstumpfen der
Lust. Wo weder Verbote noch Hemmungen existieren, verliert das Ganze seinen Reiz. Der
Zauber verpufft einfach.
In den sozialen Medien und auf Porno-Kanälen wird man in eine Welt der jungen, schönen, knackigen Sex-Bomben entführt. Dauerpotente Männer lassen ihre Muskeln beim Sex spielen, zeigen ihr Können im Bett. Gleichzeitig sind sie noch erfolgreich im Job vielseitig gebildet. Ach ja, einfühlsam und romantisch sind sie auch noch. Uff, wie kann man diesem Idealbild von einem
Mann entsprechen? In diesem Wettkampf kann man nur verlieren, also lässt man es lieber ganz und Mann begnügt sich weiter mit sich selbst.
Jungfrau, männlich, 30 Jahre, mit gewissen Vorzügen
Diesmal hat es gefunkt, bei ihm und anscheinend auch bei Julia. Sie kennen sich schon lange, sind im gleichen Freundeskreis. Julia sieht in ihm einen
Mann Mitten im Leben. Guter Job, unabhängig, charmant, grosszügig. Da spielt der Altersunterschied von zehn Jahren auch keine Rolle. Bisher keine feste Bindung, na und ist doch super: keine Altlasten, kein Second-Hand-Typ, keine Dramen mit der Ex. Nach einigen unaufgeregten Treffen gehen sie auseinander mit einem Küsschen und einem warmen Händedruck. Ich hole dich morgen ab, ich koche uns was Tolles, lass dich überraschen, schlaf gut.
Juhu, Vorfreude pur bei Julia. Florian ist so aufgeregt, wie es wohl wird beim ersten Mal - es ist vor allem sein erstes Mal. Die Wohnung ist blitze blank, dass perfekte Dinner vorbereitet, Sekt steht kalt, Kerzen ohne Ende, Chill-out-Musik. Nach dem Dessert legt er los. Das hat er sich von den Pornos abgeschaut: Mundspülung, Liegestützen, Duft nachgelegt. Nackt kommt er aus dem Bad zurück mit einer Rose für sie - dann gibt er alles. Er schleckt sie ab, öffnet ungeschickt ihren BH, schrottet den Reissverschluss beim Versuch, ihre Hose auszuziehen. Dann endlich drauf und athletisch rein-raus, rein-raus... gleich komme ich. 20 Minuten später Mach mal ne Pause, es tut mir schon weh. Soll ich es dir lieber mit dem Mund machen? Nett gedacht, schlecht gemacht - schlagartig wurde er schlaff, zu nervös. Julia war total enttäuscht, das hat bisher immer funktioniert. Der Rest des Abends ist schnell erzählt und die Zeit danach auch. Funkstille.
1000 Mal berührt – 1000 Mal ist nichts passiert
Frustrierende Erfahrungen bei
Sex-Versuchen sind auf keinen Fall förderlich für das Selbstwertgefühl eines jungfräulichen Mannes. Der einmal entstandene Druck baut sich mit jedem Jahr ohne Sex weiter auf. Die Ansprüche der Frauen steigen ebenfalls - angeheizt durch die Medien, die das perfekte Bild eines Liebespartners vorgeben. Florian hat schon überlegt, zu einer Professionellen zu gehen. Eine Art Trainingslager für absolut Beginners. Aber ihm fehlte der Mut, das erste Mal sollte doch der Startschuss in eine feste Beziehung sein.
Bei seiner Freundin - sie ist lesbisch und Mutter - konnte er sich frei reden. Sie sah schnell, wie verzweifelt er war. Aus Sicht einer
Frau sieht die Sache ganz anders aus. Ich kenne wirklich keine, die dich sofort fallenlassen würde. Im Gegenteil, ist doch eine riesen Chance, eine Herausforderung. Sie wird deine erste Frau also etwas ganz Besonderes. Liebemachen bedeutet nicht, dass es einfach ist, sondern dass es die Mühe wert ist. Wenn die Frau das bei dir erkennt, wird sie achtsam mit der Situation umgehen. Du musst nichts abliefern, nur ehrlich sein. Und bitte, schalte mal deinen Kopf aus und den Bauch ein. Gin Tonic?
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